19.10.2020, Berlin: Der 12. Integrationsgipfel der Bundesregierung findet digital mit Schwerpunkt auf „Teilhabe vor Ort in der Kommune“ statt. Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (LAKA BW ist Mitgliedsverband im BZI) wirkt durch seinen Vorsitzenden Memet Kilic aktiv mit.
Der diesjährige Gipfel findet, um das Infektionsgeschehen möglichst zu verringern, digital statt. Das ist für uns alle ein Novum besonderer Art. Diese Pandemie wird irgendwann vorbei sein; die Gestaltung einer offenen Einwanderungsgesellschaft ist aber noch weit davon entfernt abgeschlossen zu sein. Deshalb darf die aktuelle Konzentration auf Maßnahmen zur Abmilderung des Infektionsgeschehens nicht davon abhalten, Integration und Migration zukunftsgewandt zu überdenken.
Der Schwerpunkt dieses Gipfels hebt die Bedeutung der Integration vor Ort, also in der Kommune, besonders hervor. Diskriminierung und Rassismus stehen am Montag nicht explizit auf der Agenda. Sie dürfen aber keinesfalls ausgeblendet werden und gehören als Querschnittsthemen zu allen Bereichen der Integrationsarbeit.
Die Kommune ist der erste Ort des Lernens, von Mitmenschen, deren Bedarfe aber auch von Missständen vor Ort – längst bevor die Bedarfe oder Missstände die Flure des Bundestags erreichen! Deshalb müssen kommunale Akteure, darunter ganz besonders die kommunalen Integrationsbeiräte, gestärkt und unterstützt werden. Mit Hinblick auf den 12. Integrationsgipfel ist es wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass Integrationsbeiräte mehr Stärkung brauchen, damit sie die hier beratenen Themen fort- und weiterentwickeln, und die Demokratie vor Ort durch die Stimme der Vielfalt konsolidieren können.
Das große Potenzial von Integrationsbeiräten wird derzeit nicht vollständig ausgeschöpft: Durch Angebote für die Qualifizierung ihrer migrantischen Mitglieder, finanzielle und personelle Ressourcen könnten sie erfolgreicher und effektiver agieren. Das fordern wir als BZI, ihre bundesweite Interessenvertretung. Eine weitere Maßnahme die der BZI außerdem als notwendig erachtet, um unsere Demokratie auch in Kommunen vielfältig zu gestalten, bleibt das Wahlrecht für Drittstaatenangehörige auf kommunaler Ebene. Nicht nur finanzielle und personelle Ressourcen machen Integrationsbeiräten zu schaffen.
Das Erstarken rechtsextremer/rassistischer und demokratiefeindlicher Gruppierungen bedroht auch die Existenz der migrantischen Mitglieder der Integrationsbeiräte (Ausländerbeiräte) – wie auch Kommunalpolitiker*innen allgemein. Die Konsequenz: Rückzug aus dem bürgerschaftlichen Engagement. Doch wenn ihre Stimme entfällt, ist klar welche Stimmen stärker zu hören sein werden – das dürfen wir nicht zulassen!
Kommunale Integrationsbeiräte leisten als Task Forces für die Integrationsarbeit seit fast einem halben Jahrzehnt einen großen Beitrag zur Integrationsarbeit – nicht nur in Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum. Sie sind Ausdruck gelebter Teilhabe, Verantwortungs- und Verfassungskultur. Sie verleihen der Diversität eine demokratische Legitimität und bauen Brücken zu Migranten-Communities auf. Und sie geben Menschen aus Drittstaaten, die kein kommunales Wahlrecht haben, eine Möglichkeit zur politischen Teilhabe. Vieles ist seit 2015 geschafft worden und Vieles kann auch noch geschafft werden.
Redebeitrag Memet Kilic, LAKA BW-Vorstandsmitglied und BZI-Vorsitzender:
„Wir schaffen das“. Vor fünf Jahren haben Sie, liebe Bundeskanzlerin, diesen historischen Satz gesagt. Ein Satz, der zu jener Zeit zur Chiffre deutscher Flüchtlingspolitik wurde. Ein Satz, der uns noch heute als Einwanderungsland prägt. Sie haben zu Recht Mut gemacht! Herzlichen Dank dafür! Vieles ist seit 2015 geschafft worden.
Die Arbeitsmarktintegration verläuft schneller und erfolgreicher als in den Jahren zuvor. Mehr als die Hälfte der berufsfähigen Geflüchteten geht einer Arbeit nach. Etwa 55.000 der Geflüchteten absolvieren eine Berufsausbildung. Diesem Erfolg haben wir nicht zuletzt auch dem zivilen Engagement und der großen Solidarität der deutschen Bevölkerung zu verdanken.
Um einem Einwanderungsland gerecht zu werden, ist es mit einer Erstintegration nicht schon getan. Es ist richtig: Sprachkurse sind für die Erstintegration unerlässlich. Sprache – so heißt es immer – ist der Schlüssel der Integration. Ohne Teilhabe und ohne Teilhabe an der Verfassungskultur unseres Landes kommen wir jedoch nicht voran. Zugänge müssen ermöglicht werden. Denn Integration heißt Teilhabe. Und Teilhabe beginnt vor Ort.
Als Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates möchte ich hier den Fokus vor allem auf unsere kommunalen Integrations- bzw. Migrationsbeiräte setzen. Denn die Erfolge, die wir seit 2015 verzeichnen, haben wir nicht zuletzt vor allem den Integrationsbeiräten zu verdanken. Mit ihrem Engagement trugen und tragen sie noch immer vor Ort einen erheblichen Beitrag zur Integration von Geflüchteten bei.
Integrations- oder Migrationsbeiräte leisten seit über 40 Jahren einen erheblichen Beitrag in den Kommunen. In dem Ort, wo man zu der Erfahrung findet, selbst nicht hilfloser Beobachter, sondern Gestalter seiner Umwelt zu sein. Wo man die Ergebnisse der eigenen Mühen jeden Tag real sieht. Denn in der Kommune lernt man sowohl Mitmenschen, als auch die Probleme aus nächster Nähe kennen – bevor diese in den Fluren des Bundestags hallen!
Integrationsbeiräte sind demokratisch legitimierte, überparteiliche, ethnienübergreifende sowie religionsneutrale Einrichtungen. Menschen aller Couleur setzen sich seit Jahrzehnten in Integrationsbeiräten für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in Deutschland ein, weil sie mitgestalten, mitreden vor allem verändern wollen!
Ihr bürgerschaftliches Engagement ist Ausdruck gelebter Partizipation und Verantwortungs- und Verfassungskultur. Als politisches Gremium vertreten sie dabei nicht nur die Interessen der migrantischen Bevölkerung vor Ort. Auch Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus treiben diese Beiräte um. Sie verteidigen unsere wehrhafte Demokratie, in dem sie für viele Migrantinnen und Migranten ein Einstieg und eine Motivationsquelle für weitergehende politische Teilhabe bieten.
Der BZI widmet seine Arbeit dem Grundgesetz und dem verfassungsmäßigen Leitbild, das es mit Leben zu füllen gilt. Basierend auf einer gelebten demokratischen Streit-, Verantwortungs- und Teilhabekultur versucht er, die Kultur des Zusammenlebens mitzugestalten und Missstände wie institutionelle Diskriminierung(en), Rassismus und Ausgrenzung zu bekämpfen. Nach fast 20 jährigem Bestehen hat der Bund diese große Bedeutung unseres Verbands erkannt und unterstützt uns, dafür sind wir dankbar! Das wünschen wir uns aber auch für die kommunalen Integrationsbeiräte! Es ist wichtig, mit Hinblick auf den heutigen Integrationsgipfel darauf aufmerksam zu machen, dass Integrationsbeiräte mehr Stärkung brauchen, damit sie die hier beratenen Säulen vor Ort fort- und weiterentwickeln können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den 12. Integrationsgipfel als Anlass nehmen, weitere historische Meilensteine zu setzen. Lassen Sie uns gemeinsam Wege für mehr Teilhabe von Migrantinnen und Migranten ebnen. Denn: Integration heißt Teilhabe. Und Teilhabe beginnt vor Ort.
Bundeskanzlerin Angela Merkel Bundesfamilienministerin Franziska Giffey Memet Kilic, Vorsitzender des BZI